Herbert William Garratt machte sich Gedanken darüber, wie eine starke und flexible Dampflok für Schmalspurbahnen auszusehen hatte. Sein Entwurf bestand aus einer Lok, die auf drei Teile aufgeteilt war. Zwei Fahrwerke enthielten jeweils eine komplette Dampfmaschine und auf diesen war auf der einen Seite ein Wassertank und auf der anderen ein kombinierter Wasser- und Brennstofftank aufgesetzt. Der dritte Teil bestand aus einem Brückenrahmen, der einen Kessel und ein Führerhaus trug. Der Brückenrahmen war mittig zwischen den beiden Fahrwerken aufgehängt und versorgte die beiden Triebwerke mit Dampf.
Für die Umsetzung wandte er sich zuerst an Kitson & Co., wo er nicht erfolgreich war. Dies lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass diese bereits Gelenkloks der Bauart Kitson-Meyer fertigten. Mehr Erfolg hatte er bei Beyer, Peacock & Co., so dass die Bauart heute auch als Beyer-Garratt bekannt ist.
Die erste Lok, die man als Garratt bezeichnen kann, entstand für die North East Dundas Tramway in Tasmanien und wies noch einige Abweichungen zur späteren Regelform auf. Sie hatte die Achsfolge B+B n4vt bzw. 0-4-0+0-4-0 T und ist heute bekannt als Tasmanian Government Railways Klasse K. Auf besonderen Wunsch des Kunden arbeiteten die beiden Loks in Verbundwirkung und hatten die Zylinder auf der Innenseite. Diese Anordnung war sehr komplex und machte zudem mit den Zylindern direkt unter dem Führerhaus Probleme. Spätere Garratts hatten eine einfache Dampfdehnung und außenliegende Zylinder. Das erste Modell, das für den Einsatz auf der Hauptstrecke gebaut worden war, war die Klasse M der West Australian Government Railways mit der Achsfolge 2-6-0+0-6-2T.
Der größte Vorteil der Garratt war, dass man bei der Gestaltung des Kessels freie Hand hatte und keine störenden Rahmen, Achsen oder Räder im Weg waren. Gerade auf der Schmalspur war dies von Bedeutung, weil man so eine breite Feuerbüchse verwenden konnte. Außerdem konnte die Feuerbüchse kostengünstig mit geraden Seitenwänden gefertigt werden und der Aschkasten war besser zugänglich. Auch der Langkessel konnte kurz und mit großem Durchmesser ausgeführt werden, um die optimale Leistung entfalten zu können.
Ein Nachteil der Garratt, den sie sich mit Tenderloks teilte, war die nachlassende Reibungsmasse mit abnehmenden Vorräten. So mussten die Zuglasten entweder so geplant werden, dass die Lok sie auch mit fast leeren Vorräten ziehen kann oder es musste häufiger als eigentlich nötig Wasser gefasst werden, um die Masse hoch zu halten. Außerdem musste bei der Konstruktion darauf Acht gegeben werden, dass der Raum zwischen Rauchkammer und vorderem Wasserkasten groß genug ist, um die Rauchkammertür öffnen zu können. Dies konnte durch eine Einbuchtung im Wassertank oder einen ausreichend großen Abstand sichergestellt werden.
Die Laufeigenschaften zeichneten sich dadurch aus, dass das Fahrwerk symmetrisch war und in beiden Fahrtrichtungen hohe Geschwindigkeiten gefahren werden konnten. Gerade auf Strecken mit vielen Tunneln fuhr man häufig mit dem Führerhaus voran, also „bunker leading”. Da der Kessel im Gegensatz zur Mallet in engen Kurven nicht nach außen schwang, konnten engere Kurven durchfahren werden und war der Lauf bei höheren Geschwindigkeiten besser.
Eine Sonderform war die Union Garratt. Bei ihr lag der vordere Wasserbehälter weiterhin auf einem eigenen Rahmen, der hintere Wasser- und Kohlebehälter befand sich aber auf dem Rahmen, der auch Kessel und Führerhaus trug. Das hintere Fahrwerk war dabei als Drehgestell ausgebildet. Somit handelte es sich um eine Mischform aus Garratt und Modified Fairlie.
Die meisten Garratts wurden für Afrika gebaut und auch viele für Australien und Südamerika. Weitere kamen in Asien zum Einsatz und nur wenige in Europa. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass es in den Haupteinsatzgebieten viele schmalspurige Strecken gab, die viele Kurven aufwiesen und oft nur für geringe Achslasten ausgelegt waren, womit sich die Garratt angeboten hat. Da es in diesen Ländern große Mengen an Rohstoffen zu transportieren gab, wurden vor allem für die Kapspur und Meterspur große Garratts gebaut, die stärker als die stärksten Dampfloks in Europa waren. Als stärkste Garratt gilt die Klasse 59 der East African Railways mit der Achsfolge 4-8-2+2-8-4T. Obwohl sie nur auf Meterspur fuhr, kam sie auf eine Dienstmasse von über 250 Tonnen, hatte eine Rostfläche von 6,7 Quadratmetern und kam auf eine Anfahrzugkraft von etwa 370 kN.
Da die allgemein gefahrenen Geschwindigkeiten oft niedrig waren, wurden die Garratts meist gleichermaßen für Güter- und Personenzüge eingesetzt. Je nach Streckennetz wurden auch Exemplare mit größeren Kuppelrädern gebaut, die dann vorrangig für Personenzüge genutzt wurden. So war es denkbar, dass eine Bahngesellschaft eine kleirädrige 4-8-2+2-8-4T „Double Mountain” für Güterzüge und eine großrädrige 4-6-2+2-6-4T „Double Pacific” für Personenzüge anschaffte. Die normalspurige 231-132.AT und BT der PLM Algérie mit 1.800 mm großen Kuppelrädern gelten mit 132 km/h als die schnellsten Garratts.
Nachdem das Patent für die Bauart abgelaufen war, fertigten auch weitere Hersteller in anderen Ländern Garratts. So ließen sich die South African Railways eine größere Anzahl von den Deutschen Firmen Hanomag, Henschel und Maffei fertigen. Die letzte gebaute Garratt war die Klasse NG G16 der South African Railways, von denen die letzten 1968 die Werkshallen von Hunslet-Taylor in Südafrika verließen und mit Kesseln der Mutterfirma aus England ausgestattet waren. Wie bereits die allererste Garratt, liefen diese auf der kleinen Spurweite von zwei Fuß.
Insgesamt waren 1.704 Garratts entstanden, von denen allein 1.124 nach Afrika gingen. Gerade dort waren einige Betreiber noch sehr lange auf ihre Dienste angewiesen. So standen etwa in Simbabwe noch nach der Jahrtausendwende Garratts im Regeleinsatz vor Personenzügen. Aktuell geht man von noch etwa 250 existierenden Loks in den unterschiedlichsten Zuständen aus. Davon befinden sich jedoch vermutlich weniger als 100 Stück in einem halbwegs ansehnlichen Zustand und etwa 15 Stück sind noch fahrbereit.