Als Ablöse für die Elektroloks der Eurosprinter-Familie und die Dieselloks der Eurorunner-Familie entwickelte Siemens ohne Kundenauftrag die Vectron, die beide Familien in einer Plattform vereinen sollte. Dies war auch nötig, da die Eurosprinter noch auf der seit 1996 produzierten Baureihe 152 der DB AG basierte und auch der Taurus zum großen Teil aus den Anforderungen der ÖBB entstanden war. Somit waren diese Loks nicht anpassungsfähig genug, um zu einem attraktiven Preis unterschiedliche Varianten für verschiedene Kunden anbieten zu können. Ebenso waren in der Zwischenzeit neue Crashnormen in Kraft getreten, denen die älteren Lokfamilien nicht mehr voll entsprechen konnten.
Direkt vorausgegangen war die ES 2007, die als Serie 4700 an die Portugiesische Staatsbahn und als Serien 18 und 19 an die Belgische Staatsbahn verkauft worden war. Diese hatte zur Erfüllung der neuen Crashnormen bereits das neue Frontend-Konzept umgesetzt. Dies bedeutete, dass die Stirnseiten der Loks im Gegensatz zu denen der Taurus aus Stahl gefertigt waren und nach einem Unfall ersetzt werden können. Aus diesen Loks wurde die modulare Vectron entwickelt, um den Konkurrenten von Bombardier und Alstom etwas entgegensetzen zu können.
Obwohl alle Vectrons äußerlich fast identisch aussehen, gelang es nicht ganz, die Elektro- und Dieselvarianten in einem identisch aufgebauten Lokkasten zu vereinen. So haben die Elektrovarianten weiterhin einen Mittelgang im Maschinenraum, während der Dieselmotor und Generator bei den Dieselvarianten mittig angeordnet sind. Trotzdem ist die Ausstattung der Vectron sehr flexibel, womit alle in Europa eingesetzten Zugsicherungssysteme verbaut werden können und Spurweiten zwischen 1.435 und 1.676 mm realisiert werden können.
Die Kraftübertragung erfolgt über einen Ritzelhohlwellenantrieb, der im Vergleich zum Antrieb der Taurus vereinfacht wurde. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt standardmäßig 160 km/h und kann optional auf 200 km/h angehoben werden. 2019 wurde eine Variante für 230 km/h angekündigt, die modifizierte Drehgestelle hat und 2022 zum ersten Mal an die CD ausgeliefert wurde. Ebenfalls optional sind aktive Drehdämpfer, die den Lenkwinkel der Drehgestelle aktiv einstellen. Ebenso als Option kann ein sogenanntes Rangiermodul bestellt werden, welches aus einem 180 kW starken Hilfsdiesel mit Generator besteht und das Befahren nicht elektrifizierter Abschnitte mit geringer Geschwindigkeit erlaubt.
Bei den reinen Elektrovarianten wird unterschieden zwischen der AC, DC und MS. Die AC kommt in Wechselstromsystemen mit 15 oder 25 kV zum Einsatz und leistet in der Variante „High Power” 6.400 kW und als „Medium Power” 5.600 kW. Die DC kann unter Gleichstrom mit 3.000 und 1.500 Volt eingesetzt werden und leistet dabei 5.200 bzw. 3.500 kW. Die MS eignet sich für Wechsel- und Gleichstromsysteme, kann aber aus Platzgründen nicht mit Rangiermodul geliefert werden.
Auf Grund der großen Anzahl von Varianten konnten bis Anfang 2023 bereits mehr als 1.700 Vectrons ausgeliefert werden, bei mehr als 700 offenen Bestellungen. Es existieren bereits Zulassungen für 20 Länder. Einige Kunden haben die Loks mit weitergehenden Anpassungen bestellt, wie die Finnische Staatsbahn. Die dort als Sr3 eingesetzten Loks verfügen über ein höheres Dach mit größeren Lüftungsgittern als Schutz gegen Vereisung, zwei Rangiermodule, Prallschilde an den Frontend-Modulen und seitliche Führerstandsfenster, die ansonsten nicht vorhanden sind.
Als vereinfachte, nicht konfigurierbare Variante für kleine Bahngesellschaften wird die Smartron angeboten. Außer den voll elektrischen Varianten existieren noch die dieselelektrische DE und die Zweikraftvariante DM (für „Dual Mode”). Nachdem die DE mangels Nachfrage eingestellt wurde, wird mittlerweile noch eine Vectron DM Light angeboten. Für die USA werden zwei Abwandlungen mit größeren Anpassungen produziert. Dabei handelt es sich einerseits um den elektrischen „Amtrak Cities Sprinter” ACS-64 und andererseits die Dieselloks der Charger-Familie, die sich seit 2015 großer Beliebtheit erfreuen.