Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde im Zuge der Gründung der Weimarer Republik entschieden, die Länderbahnen unter eine gemeinsame Verwaltung zu stellen. Somit wurden offiziell am 1. April 1920 die „Deutschen Reichseisenbahnen” gegründet, die bald in „Deutsche Reichsbahn” umbenannt wurden. Auf Grund des Dawes-Plans wurde die Reichsbahn 1924 privatisiert und „Deutsche Reichsbahn Gesellschaft” genannt, um ihre Gewinne als Reparationen an die Siegermächte abführen zu können.
Eine große Herausforderung war es, die große Zahl an unterschiedlichen Dampflokomotiven der Länderbahnen zu verwalten und effektiv einzusetzen. Obwohl viele der Loks noch auf der Höhe der Zeit waren, bereiteten ihre unterschiedlichen Eigenschaften einen größeren Aufwand bei der Planung des laufenden Betriebs. Auf lange Sicht war es somit von Nöten, den Fuhrpark zu vereinheitlichen.
Zunächst wurden einige besonders gelungene Länderbahnloks von mehreren Reichsbahndirektionen beschafft, wie etwa die Preußische G 12. Auch die Preußische P 8 und die Bayerische S 3/6 wurden noch für einige Jahre weiter gebaut. Wenn es überzählige Loks in bestimmten Aufgabenbereichen gab, wurden zuerst die ältesten Maschinen der Länderbahnen ausgemustert oder die, die nur in kleiner Stückzahl vorhanden waren.
Zur Verwaltung der einzelnen Typen wurde ein Baureihenschema aufgestellt, das jedem Typ eine Nummer von 01 bis 99 und eventuell eine Unterbaureihe zuordnete. Dabei wurden in jedem Bereich die niedrigsten Nummern für die neuen Loks reserviert. Auf der anderen Seite bekamen viele ältere Loks eine Nummer zugeteilt, diese wurde aber zum Stichtag 1925 nicht mehr angeschrieben, weil sie bereits ausgemustert waren.
Folgende Nummern wurden für unterschiedliche Kategorien vergeben:
BaureiheKategorie01-19Schnellzug-Schlepptenderloks20-39Personenzug-Schlepptenderloks40-59Güterzug-Schlepptenderloks60-79Personenzug-Tenderloks80-96Güterzug-Tenderloks97Zahnrad-Tenderloks98Lokalbahn-Tenderloks99Schmalspurloks
Schnellzug-Schlepptenderloks der Länderbahnen mit der Achsfolge 2'C1' (Pacific) wurden so in die Baureihe 18 einsortiert. So wurde zum Beispiel die Sächsische XVIII H zur Baureihe 180, das heißt mit Nummern ab 18 001. Die in größerer Stückzahl vorhandene Bayerische S 3/6 bekam den Nummernkreis 184-5, also mit Nummern zwischen 18 401 und 18 548. Von der Preußischen P 8 erhielt die Reichsbahn fast 3.000 Stück, diese bekamen Ordnungsnummern ab 1001 und wurden zur Baureihe 3810-40.
Für den Bau neuer Lokomotiven rief man das Programm der Einheitslokomotiven ins Leben. Ziel war es, eine möglichst große Zahl von Baureihen für unterschiedliche Einsatzfelder mit einer großen Zahl von Gleichteilen, günstiger Fertigung, einfacher Wartung und langer Lebensdauer zu entwickeln. Federführend war hier Richard Paul Wagner, der ab 1922 Bauartdezernent war und viele Grundzüge der Einheitsloks prägte.
Ein zentrales Element war der Barrenrahmen, den Wagner bereits bei seinen Studienreisen in die USA erleben konnte und den auch die Bayerische Staatseisenbahn verwendet hatte. Durch dessen geringere Bauhöhe hatte man eine freiere Hand bei der Gestaltung des Kessels und konnte eine Feuerbüchse mit vorteilhafteren Proportionen verwenden. Auch bei den Führerhäusern, Windleitblechen und anderen äußerlich sichtbaren Baugruppen konnte man auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um eine Einheitslok der Reichsbahn handelte. Im Inneren optimierte man etwa die Dampfwege, um ohne größeren Aufwand die Leistung und den Verbrauch zu optimieren.
Um die Produktionskosten zu senken und die Wartung zu vereinfachen, verwendete man keine Verbundtriebwerke und nahm den höheren Verbrauch in Kauf. Dem vorausgegangen waren Versuchsfahrten mit den Schnellzugloks der Baureihen 01 mit Zweizylinder-Triebwerk und 02 mit Vierzylinder-Verbundtriebwerk. Da die 02 nur minimal sparsamer war, sah man die zusätzlichen Kosten des Triebwerks als nicht gerechtfertigt an. Einige Stimmen behaupten, dass das Triebwerk der 02 mit Absicht unvorteilhaft ausgelegt war, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen. Auch vermied man den Einsatz eines dritten Innenzylinders ohne Verbundwirkung so weit wie möglich und stattete nur Loks damit aus, bei denen eine besondere Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten oder hoher Last notwendig war.
Bei den Kesseln der Einheitsloks fiel auf, dass diese sehr lang waren. Durch den Verzicht auf eine Verbrennungskammer ergaben sich übermäßig lange Rauchrohre, die durch Spannungen bei Temperaturunterschieden zu Problemen führten. Später fertigte man die Kessel aus der härteren Stahllegierung St 47k, um sie statt mit 16 bar nun mit 20 oder sogar 25 bar betreiben zu können. Später musste der Druck wieder herabgesetzt werden, da man erst nachträglich erkannte, dass dieser Stahl mit der Zeit spröde wurde und es zu gefährlichen Haarrissen kam.
Allgemein setzten sich Neuerungen im Dampflokbau bei den Einheitsloks oft nicht durch, um die auf Massenproduktion ausgelegten Produktionsstätten nicht zu stark modifizieren zu müssen. Gerade bei der Saugzuganlage hielt man an der traditionellen Bauart fest und verwendete keine variablen, kleeblattförmigen oder Kylchap-Blasrohre. Zur Rostbeschickung weigerte man sich, mechanische Stoker einzubauen und vertraute deshalb auf die Muskelkraft der Heizer. So kam es bei den stärksten Lokomotiven nicht selten vor, dass gleichzeitig zwei Heizer verwendet wurden, um ausreichend Kohle schaufeln zu können.
In den Dreißigern mussten sich die Dampfloks gegen die neuen Triebzüge wie etwa den „Fliegenden Hamburger” beweisen, die gerade auf Strecken mit niedrigem Verkehrsaufkommen mühelos hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten erreichten. Ein Ergebnis war die Tenderlok der Baureihe 61, die leichte Personenzüge mit bis zu 160 km/h ziehen sollte. Allgemein wurden in den Dreißigern viele Stromlinienloks gebaut, die bei hohen Geschwindigkeiten weniger verbrauchen sollten. Die Verkleidung stellte sich bald als hinderlich bei der Wartung heraus und führte zur Überhitzung einiger Bauteile des Fahrwerks, weshalb sie später wieder entfernt wurde.
1937 wurde die Reichsbahn von den Nationalsozialisten verstaatlicht, um sie besser für die eigenen Kriegspläne verwenden zu können. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Entwicklung im Bereich der Schnellzugloks quasi eingestellt und es wurde größerer Wert auf die Massenproduktion von Güterzugloks gelegt. Einerseits kam die Produktion der schweren Baureihe 44 zu diesem Zeitpunkt erst richtig in Fahrt, andererseits wurden Loks mit niedriger Achslast zur Verwendung in den eroberten Gebieten entwickelt.
Einer der zentralen Punkte war nun die Vereinfachung der Fertigung vorhandener Lokomotivtypen und die Rationalisierung der Fertigung. Dabei wurde die Gemeinschaft Großdeutscher Lokomotivfabriken gegründet, um unterschiedliche Baugruppen in einzelnen Werken zu fertigen und diese dann in einem anderen Werk zu montieren. Die Vereinfachung der Loks führte erst zu den Übergangskriegslokomotiven und dann zu den Kriegslokomotiven, bei denen viele Teile einfacher gefertigt wurden und andere Teile weggelassen wurden, die nicht für den Betrieb notwendig waren. Den dadurch entstandenen höheren Verbrauch nahm man in Kauf. Auch die Lebensdauer der einzelnen Lokomotiven konnte geringer ausfallen, da man diese nach dem erwarteten siegreichen Kriegsende als entbehrlich ansah.
Nach der deutschen Niederlage zeichnete sich schnell ab, dass die Bahnen in den westlichen und der östlichen Besatzungszone bald trennen würden. In der DDR führte man den Namen „Deutsche Reichsbahn” weiter, während man in der BRD die Deutsche Bundesbahn gründete. Auf beiden Seiten musste man zunächst mit dem vorhandenen Material ein Auskommen finden und die beschädigten Anlagen und Fahrzeuge reparieren. Erst mit Verzögerung war es möglich, neue Lokomotiven in größerer Stückzahl zu fertigen.
Bei der Bundesbahn konnte auf Grund des Entgegenkommens der Siegermächte früh die Entscheidung fallen, die Umstellung auf Diesel- und Elektroloks in großem Stil vorzunehmen. Somit wurden nur noch wenige neue Dampfloks entwickelt und gefertigt. Trotzdem war man noch einige Zeit auf die vorhandenen Dampfloks angewiesen und musste deren Lebensdauer verlängern. Dabei waren vor allem an den in minderwertiger Qualität gefertigten Kriegsloks und den Kesseln aus der problematischen Legierung St 47k größere Arbeiten fällig. Viele Loks erhielten komplett neue, geschweißte Kessel mit Verbrennungskammer, die die Leistung steigerten.
Bei der Reichsbahn in der DDR war man in einer deutlich schlechteren Situation, da die Sowjetunion große Reparationszahlungen einforderte. So mussten etwa alle funktionsfähigen Elektroloks abgegeben werden und es wurden alle Oberleitungen demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Ebenso wurde von zweigleisigen Strecken das zweite Gleis demontiert und abtransportiert und generell wurden viele Industriebetriebe als Reparation demontiert. Somit hatte die Reichsbahn einen deutlich schwereren Start und eine großangelegte Elektrifizierung oder der Bau von Dieselloks war nicht abzusehen.
Der Schwerpunkt lag nun darin, die vorhandenen Dampfloks noch für mehrere Jahrzehnte einsatzfähig zu halten. Nachdem bereits viele Loks größeren Modernisierungen unterzogen worden waren, wurde 1957 das Programm der Rekoloks ins Leben gerufen. Hierbei wurden die Loks von Grund auf neu aufgebaut, wobei ebenfalls neue Hochleistungskessel zum Einsatz kamen. Da die DDR keine hochwertige Steinkohle in größeren Mengen beziehen konnte, mussten die Kessel für die Verwendung von Braunkohle ausgelegt werden. Hierbei entstand zum Beispiel die Baureihe 015, die im Vergleich zur ursprünglichen 01 eine deutlich gesteigerte Leistung erreichte.